Jeder soll sich den Trägern der staatlichen Gewalt unterordnen. Denn alle staatliche Gewalt kommt von Gott, und jede Regierung ist von Gott eingesetzt.
Wer sich daher der staatlichen Gewalt widersetzt, stellt sich gegen die von Gott eingesetzte Ordnung und wird zu Recht bestraft werden.” (V1-2)

Wie geht es euch bei diesen Versen? Sie sind ziemlich klar und einfach verständlich, weder kryptisch noch vage. Umso mehr habe ich mir in den vergangenen Corona-Monaten mehrmals verwundert die Augen gerieben: Prediger rufen zu zivilem Ungehorsam auf. Pastoren gehen ins Gefängnis, weil sie sich weigerten, in ihren Gemeinden die geltenden Corona-Auflagen umzusetzen. Christen marschieren an vorderster Front gemeinsam mit Verschwörungstheoretikern und Extremen beider Flügel gegen empfundene Einschränkungen; kritisieren lauthals ihre Regierungen oder fordern gar deren Absetzung.

Woher kommt diese überhebliche Überzeugung, es besser zu wissen, als diejenigen, welche die Verantwortung tragen? Sicher nicht aus Röm 13*.
Bereits früher, als Corona noch ein Bier war, staunte ich bei Gesprächen über diese Verse, dass sie den immer gleichen Einwand hervorriefen: ‘Hätten Christen in Deutschland dann etwa der NS-Regierung gehorchen müssen?’ So lernte ich einiges über kritisch-historisches Denken. Denn mit diesem Einwand war für die (vermeintlich) Fragenden der ganze Text vom Tisch und keine weitere Auseinandersetzung mehr erforderlich.

Und dies, obwohl sie weder in Deutschland noch damals lebten (als die Mehrheit der Kirchen einfach wegschaute, schwieg oder gar mitlief***). Paulus hingegen im unheiligen römischen Reich mit alltäglicher Korruption und Intrigen schreibt: “Wer sich daher der staatlichen Gewalt widersetzt, stellt sich gegen die von Gott eingesetzte Ordnung und wird zu Recht bestraft werden.”

Der Text gestern hat uns bereits etwas davon gezeigt, dass Christen nicht in den ersten Reihen der lärmenden Masse einer aufbegehrenden Gesellschaft zu finden sein sollten. Denn unser Augenmerk ist ganz darauf gerichtet, mitten in dieser Welt das angebrochene Reich Gottes auszubreiten. Dies geschieht weder durch Demonstrationen noch mittels Petitionen, sondern dadurch, dass du und ich unseren Glauben in den kleinen Dingen des Alltags (12,16) ausleben und so Gerechtigkeit wirken.

Einmal angenommen, Christen würden Regierungen stürzen, Petitionen durchsetzen und selber an die Macht gelangen. Dann wären die Menschen im Land noch immer dieselben – noch immer verloren. Nun mag man einwenden, dass Christen an der Macht mehr Einfluss hätten, sie mehr bewirken könnten und besser gehört würden. Doch das ist ein grosser Irrtum, der sich nur schon daran erkennen lässt, dass die grössten und am schnellsten wachsenden Gemeinden in China, Iran und ähnlich unfreien Ländern sind, während die freie westliche Welt zwischen zwei und drei Prozent gläubige Christen ausweist.

Es ist aber auch deshalb ein Irrtum, weil es keine grössere Macht in dieser Welt gibt als die Gemeinde Jesu Christi und niemand mehr Einfluss hat als wir – die Einzigen, welche direkten Zugang zum Thron der Gnade haben. Wer auf mehr Einfluss hofft oder diesen auf politischem Weg geltend machen will**, hat weder Schönheit noch Einfluss der Gemeinde in dieser Welt erkannt und die Hoffnung auf erhörte Gebete fahren lassen.

Vielleicht hast du aus dem bisher Gesagten erkannt, wohin uns der heutige Text führt. Gerade WEIL wir um unsere Position vor Gott und den daraus folgenden Einfluss wissen – gerade DESHALB müssen wir uns in dieser Welt weder aufblähen noch aufbegehren. Gerade WEIL der Allmächtige Gott, Schöpfer von Himmel und Erde, mit uns ist und Sein Name über uns ausgerufen ist (!), gerade DESHALB können wir uns locker ein- und unterordnen unter jede Regierung und jede Staatsgewalt. Weil diese Unterordnung an unserem Wert und Stellung nichts ändert.

Deshalb zahlen wir unsere Steuern und verzollen unsere Einkäufe. Deshalb halten wir uns an die geltenden Gesetze sowie Corona-Richtlinien und behandeln Staatsangestellte wie Lehrer, Politiker, Amtsmitarbeitende und die RAZ-Männer mit Respekt und befolgen ihre Anweisungen. So, wie wir dies in einem fremden Land auch tun würden, denn wir sind Himmelsbürger.

Entschuldige, aber ich kann es mir nicht verkneifen… Vielleicht hängt die Frage doch noch im Raum: “Aber was ist, wenn sie uns verbieten, die Bibel zu lesen, zu beten und von Jesus zu reden?” Da möchte ich wirklich in aller Liebe, weder zynisch noch sarkastisch sagen: Das brauchen sie gar nicht mehr verbieten, das haben wir schon selbst erledigt.

* oder 12,6b: “Haltet euch nicht selbst für klug!” – da tun wir gut daran, dies zu beherzigen, da immer mehr Themen des Alltags ein Mass an Komplexität haben, welche das Auffassungsvermögen von uns Laien schlicht übersteigt.

** damit ist nichts gegen Christen in der Politik gesagt.

*** was heute nicht anders wäre, denn wir sind nicht besser als unsere Vorfahren, obwohl zeitgenössische Historiker und aktuelle Protestbewegungen uns genau das weis machen wollen.

AUGUST 2020/VON MARCEL B