So kommt der Glaube aus der Predigt, das Predigen aber durch das Wort Christi.” (V17)

Dies ist der bekannteste Vers aus diesem Abschnitt. Von hier aus ist es nur noch ein ganz kleiner Schritt zu der Vorstellung, dass damit die Sonntagspredigt des Pfarrers oder Pastors gemeint sein müsse und der Vers die Gemeindeglieder nicht betreffe, weil diese ja nicht predigen.

Dies ist gleich doppelt falsch. Denn ich habe hier bewusst aus der Lutherbibel (LUT) zitiert, da sie die einzige ist, welche akoé als ‘Predigt’ übersetzt – mit oben beschriebenen fatalen und weitreichenden Folgen. Akoé bedeutet ‘Hören’, ‘Gehör’ und ‘Gehörtes’. Von ‘Predigt’ keine Spur! Der Glaube kommt nicht aus der Predigt, sondern ‘aus dem Hören der Botschaft‘ (NeÜ). Und die Botschaft (wieder akoé, welches LUT erneut mit ‘Predigt’ wiedergibt) kommt aus dem Wort. Aber nicht aus dem lógos, sondern aus dem rhéma. Also nicht einfach Worte, sondern Gottes inspiriertes Wort für Zeit und Ort. Merkst du etwas davon, dass sich so eine völlig andere Bedeutung ergibt, als gemeinhin angenommen.

Die Vorstellung einer Sonntagspredigt, welche Glauben bewirkt, lässt sich nicht halten und ergibt auch keinen Sinn. Denn zu wem predigen die Pastoren Sonntag für Sonntag? Doch überwiegend zu Gemeindegliedern und Gläubigen. Und gerade um diese geht es in diesem Text nicht. Sondern darum, dass Menschen zum Glauben kommen.

Ein einfacher Gedanke hilft: Menschen, welche am Sonntagmorgen gar nicht in den Gottesdienst kommen, können auch nicht durch die Sonntagspredigt zum Glauben kommen. Sonntag für Sonntag zu Gläubigen zu predigen in der Hoffnung, dass sich vielleicht doch ein noch-nicht-Gläubiger eingefunden habe, ist so ineffizient wie die sowjetische Planwirtschaft. Wieso tun wir genau dies landauf landab trotzdem? Um den Glauben der Gläubigen zu stärken? Das zumindest gibt der Text nicht her. Und dann wäre es nicht gut bestellt um ihren Glauben, oder? Wieso also? Die Antwort auf diese Frage überlasse ich dir.

Falls du bis hierhin gefolgt bist, ist es nur noch ein kleiner Schritt, um zu erkennen, dass es auch deshalb nur wenig Sinn macht, Sonntag für Sonntag zu Gläubigen zu predigen, weil sie gerade dadurch nicht zur Reife kommen. Zumindest nicht, solange sie glauben, dass ‘die Verkündigung der Botschaft‘ dem Pastor obliegt und sie deren rechtmässige Empfänger seien, obwohl es gerade an ihnen liegen würde, diese Botschaft zu verbreiten, weil sie viel mehr in dieser Welt vernetzt sind als der Pastor.

Darf ich an dieser Stelle die Aussage wagen, dass wir als Kirchen der westlichen Welt uns an Traditionen gewöhnt haben, welche weder sinnvoll noch gewinnbringend sind, wir sie aber trotzdem als richtig empfinden und mit fehlgeleiteten Bibelübersetzungen untermauern? Es ist Zeit für eine Veränderung!

Worum geht es in unserem Text also wirklich? Wir sind mitten in der Argumentation von Paulus rund um Israel (Kap 9-11).

  • Wer den Namen des Herrn anruft, wird gerettet werden!
  • Anrufen kann man nur, wenn man glaubt und glauben nur, wenn man gehört und sich entschieden hat.
  • Jesus hat mit dem Jüngerschaftsauftrag (Mt 28,19-21) den Startschuss gegeben.
  • Damit hat sich das Evangelium verbreitet – aber nicht alle haben dieser Botschaft geglaubt. Im Gegenteil, der Grossteil der Israeliten in Judäa, Galiläa aber auch allen Städten, welche Paulus durchreiste, lehnte die Botschaft ab.
  • So hat Gott sich den Nationen (uns!) zugewandt, so dass es heisst:

“Ich liess mich von denen finden, die nicht einmal nach mir suchten, ich habe mich denen gezeigt, die nicht nach mir fragten.” (V20)

Was für eine unverdiente Gnade! Und wem diese widerfahren ist, der verkündigt die Botschaft! Alles klar? 😎

AUGUST 2020/VON MARCEL B