Aus dem gestrigen Text ergibt sich die naheliegende Frage: Was nützt es dann den Israeliten, das auserwählte Volk zu sein, wenn damit nicht automatisch das Heil verbunden ist? Was nützt es ihnen dann überhaupt?

“Viel”, argumentiert Paulus, insbesondere “dass Gott ihnen seine Worte anvertraut hat.
Da geht es nicht um eine Sprüchesammlung oder ein literarisches Vermächtnis. Sondern um Gottes heiliges, wirksames und kraftvolles Wort, dessen Verkörperung Jesus war. Das löst in mir zwei Reaktionen  aus: Einerseits ein Staunen. Wow! Dieses Wort wurde ihnen anvertraut, was für ein Privileg gegenüber all den anderen Völkern, welche im Dunkeln tappten! Andererseits aber auch ein Erschrecken. Obwohl sie das Wort hatten, erkannten sie Jesus – das fleischgewordene Wort – nicht (Joh 1,1-5:11)

Im V4 dringt nun erstmals im Röm die Botschaft der Gnade durch, wie ein Sonnenstrahl durch dichte Wolken. Gott ist nicht wie die Götter der Griechen und Römer mit ihren ach so menschlichen Zügen. Er steht trotz unserer Treuelosigkeit zu Seinen Zusagen und Seinem Wort und erweist sich dadurch als treu, zuverlässig und wahrhaftig (V4). Und ist damit so ganz und gar anders als wir Menschen und jede Form von Religion.

Offensichtlich haben schon damals die Menschen argumentiert, dass wenn dem so sei, man ordentlich weiter sündigen solle, da unsere Ungerechtigkeit Gottes Gerechtigkeit bestätigt. (V5-8). Das ist nett gedacht, verkennt aber den Ernst der Lage.

Wenn ich mich völlig unvorbereitet und mangelhaft ausgerüstet trotz schlechtem Wetterbericht auf eine Klettertour begebe und dann von der Rega unter widrigsten Bedingungen gerettet werden muss, dann zeichnet diese Rettungsaktion die Rega noch mehr aus als eine ‘gewöhnliche’ Rettung. Es macht aber mein Verhalten kein bisschen besser. Im Gegenteil. Und würde ich daraus aber ableiten, dass ich diese Dummheit jederzeit wiederholen könnte, dann wäre ich einfach nur ein unendlicher Narr.

Anders formuliert: Ich kann nichts dazu beitragen, dass Gottes Heilswerk grösser, schöner, mächtiger oder herrlicher würden als es ist. Ich kann es nur dankbar in Anspruch nehmen. Meine Ungerechtigkeit hat keinen Einfluss auf Gottes Gerechtigkeit. Aber Seine Gerechtigkeit hat einen alles umfassenden Einfluss auf meine Ungerechtigkeit.

JULI 2020/VON MARCEL B