Im heutigen Text geht es um Gesetz und Beschneidung. Zuvor hatte Paulus bereits die Situation der Menschen mit Gesetz mit derjenigen von Menschen ohne Gesetz verglichen. Nun gräbt er noch tiefer, da er in diesen ersten beiden Kapiteln das Fundament für das spätere Gnadenverständnis legt.

Die Israeliten sind das auserwählte Volk. Sie unterscheiden sich von allen anderen Völkern durch den Bund, den Gott mit ihnen geschlossen hatte. Er tat dies unter anderem, indem Er ihnen die Forderungen des Bundes als Gesetz gab. Die Beschneidung der Knaben am 8. Tag war sichtbares Zeichen der Zugehörigkeit zu diesem Bund.

Die Israeliten waren also zurecht stolz auf das Gesetz, denn dieses machte den Unterschied (siehe hierzu 5 Mo 4,6). Diesen Stolz kann Paulus als ausgebildeter Gesetzeslehrer aus eigener Erfahrung detailliert beschreiben, wie seine Ausführungen in V17-24 zeigen. Er verwendetet hierfür Begriffe wie:

  • sich sicher fühlen
  • stolz sein
  • beurteilen
  • lehren
  • predigen
  • sich zutrauen
  • Gottes Willen kennen
  • Blinde führen
  • Licht bringen
  • Götzen verabscheuen
  • Erzieher der Unverständigen
  • Lehrer der Unwissenden
  • Inbegriff von Erkenntnis und Wahrheit

Das alles nützt aber nichts, denn:

“Ein wahrer Jude ist der, der es innerlich ist, und die wahre Beschneidung ist die, die am Herzen geschieht. Sie kommt nicht durch die genaue Befolgung der Vorschrift zustande, sondern durch den Geist Gottes.” (V29)

Wir hatten in den vergangenen beiden Tagen bereits darüber geschrieben, dass nicht das Haben oder Hören des Gesetzes den Unterschied macht sondern das Halten des Gesetzes (V21-27). Siehe dazu auch das Gleichnis von Jesus über die beiden Söhne im Weinberg (Mt 21,28ff) sowie Seine Rede über die Pharisäer in Mt 23,3.

Ist der heutige Text blosse Wiederholung des bereits Gesagten? Nur bedingt. Er ist es, indem er noch schärfer verdeutlicht, dass nichts Äusserliches uns jemals gerecht machen könnte – nicht einmal das Gesetz (welches heilig, gerecht und gut ist, weil es von Gott kommt) oder die Beschneidung.
Gleichzeitig geht Paulus im heutigen Text einen entscheidenden Schritt weiter: Die wahre Beschneidung – also das wirkliche Zeichen der Zugehörigkeit zu Gottes Volk –  geschieht nicht durch “die genaue Befolgung der Vorschrift … sondern durch den Geist Gottes.

Darin unterscheidet sich christlicher Glaube von jeglicher Religion und Philosophie: Gott tut das Eigentliche. Sein Geist bewirkt, was wir niemals könnten selbst wenn wir ewig lebten. Deshalb bezeugen wir mit Judas:

“Dem einen Gott aber, der die Macht hat, euch vor jedem Fehltritt zu bewahren und euch untadelig und voll Jubel vor seine Herrlichkeit treten zu lassen,
ihm, der uns durch Jesus Christus, unseren Herrn, rettet, gebührt die Herrlichkeit, Hoheit, Macht und Gewalt vor aller Zeit und jetzt und für alle Zeiten. Amen.” (Jud 24-25)

JULI 2020/VON MARCEL BERNHARDSGRÜTTER